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Haftungsrecht: Nichtvererbbarkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung

BGH, Urteil vom 23.05.2017 – VI ZR 261/16 

"Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich. Dies gilt auch, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist."

 

Sachverhalt:

Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin ihres im Laufe des Verfahrens verstorbenen Ehemannes, des staatenlosen ursprünglichen Klägers D., einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch mehrere von der Beklagten im Internet veröffentlichte Artikel geltend. Die Beklagte berichtete in dem von ihr betriebenen Internetportal regelmäßig unter voller Namensnennung des D über dessen Strafverfahren wegen einer vorgeworfenen Beteiligung an Massentötungen von Juden im zweiten Weltkrieg. So titelte die Beklagte unter anderem am 14. Mai 2010 unter der Überschrift „Vor Gericht spielt er den bettlägrigen, alten Mann. D. singt und lacht im Knast“. Mit der noch zu Lebzeiten des D im November 2011 zugestellten Klage nahm der Erblasser die Beklagte im Hinblick auf diesen und eine Reihe weiterer dort veröffentlichter Artikel wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines Mindestbetrages von 5.100 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klägerin führt den Prozess als Alleinerbin fort.

 

Entscheidung: 

Der erkennende Senat hatte in seinem Judikat vom 29. April 2014 (BGHZ 201, 45 Rn. 8 ff. – Berichterstattung über trauernden Entertainer) bereits klargestellt, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht vererblich ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Erblasser vor Rechtshängigkeit des anhängig gemachten Anspruchs stirbt.

 

Ungeklärt war hingegen bislang, ob eine Vererblichkeit besteht, sofern der in seinem Persönlichkeitsrecht verletzte Erblasser erst nach Rechtshängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage verstirbt. Diese Frage hat der BGH nunmehr dahingehend entschieden, dass die Rechtshängigkeit keine Ausnahme von der grundsätzlichen Unvererblichkeit dieses Anspruchs rechtfertigt.

 

Materiell rechtlich entfaltet die Rechtshängigkeit zwar rechtserhaltende Wirkungen, wenn eine Rechtsnorm die Durchsetzbarkeit oder den Bestand eines Rechts, regelmäßig eines Anspruchs, ausschließt, sofern das Recht nicht innerhalb einer bestimmten Frist rechtshängig gemacht wird. Motiv dieses Zusammenspiels von Rechtsverlust und Rechtserhalt ist typischerweise, dass der Schuldner oder Rechtsgegner nach einer bestimmten Zeit Klarheit darüber erhalten soll, ob das Recht verfolgt wird oder nicht. Besonders deutlich tritt zeigt dies der Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Da die Verjährungsvorschriften dem Rechtsfrieden, der Rechtsklarheit und dem Zweck dienen, den Schuldner vor Beweisnöten zu bewahren, die mit einem zu langen zeitlichen Abstand zum Entstehen des Anspruchsgrunds eintreten können, verjährt ein Anspruch nicht, wenn er innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird. 

 

Bei der Frage der Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts stellt sich dieser Regelungszusammenhang nach Auffassung des BGH aber nicht. Hier gehe es nicht darum, dass der Anspruch aus Gründen des Rechtsfriedens, der Rechtsklarheit oder zum Schutz des Verletzers zu Lebzeiten des Verletzten geltend gemacht werden muss, um Rechtsnachteile zu verhindern. Vielmehr folge die Unvererblichkeit unabhängig von der Schutzwürdigkeit des Verletzers oder des Rechtsverkehrs bereits aus der im Vordergrund stehenden Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs. Diese Genugtuungsfunktion verliere mit dem Tod des Verletzten derart an Bedeutung, dass es nicht sach- und interessengerecht sei eine Vereblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs zu bejahen. Daran ändere auch die Rechtshängigkeit der Klage im Zeitpunkt des Erbfalls nichts, denn ebenso wenig wie der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlange, erlange er sie mit deren Rechtshängigkeit. Stirbt der Erblasser aber nach Rechtskraft der Entscheidung, gehe der rechtskräftig zuerkannte Anspruch hingegen auf seinen Erben über.