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Zwingende Haftung einer Autovermietung für anfängliche Mängel

OLG Frankfurt, Urt. v. 30.12.2021, Az.: 2 U 28/21

Sachverhalt:  

Die spätere Klägerin hatte im Herbst 2010 bei der beklagten Autovermietung ein Fahrzeug angemietet. Auf einer der Fahrten geriet das Fahrzeug plötzlich ins Schleudern, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte schließlich über die linke Seite über die Fahrbahn. Bei dem dadurch ausgelösten Überschlag geriet der linke Arm der Klägerin durch das Seitenfenster und wurde abgetrennt. Sie erlitt schwerste Verletzungen, eine Replantation des Armes war nicht möglich.

 

Nach den Feststellungen eines Sachverständigen war ein Lager im Kardangelenk der unteren Lenksäule bereits im Rahmen der Produktion des vermieteten Fahrzeugs nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei das Fahrzeug daher von Anfang an "nicht verkehrssicher" gewesen. 

 

Die Autovermietung lehnte eine Haftung unter Berufung auf ihre AGB ab. Nach den AGB haftet sie für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

 

Entscheidung:

Das OLG Frankfurt gelang zum Ergebnis, dass die beklagte Mietwagenfirma für den Produktmangel trotz fehlenden Verschuldens haftet. Die verschuldensunabhängige Haftung folgt dabei dem Grunde nach aus einer Besonderheit des Mietrechts: Für anfängliche Mängel, also solche Mängel, die bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden sind, haftet der Vermieter bzw. die Vermieterin in Abweichung zu dem ansonsten im BGB geltenden Verschuldensprinzip nach § 536a Abs. 1 BGB nämlich auch dann, wenn er bzw. sie die Übergabe einer mangelhaften Mietsache nicht zu vertreten, also weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat.  

 

In ihren AGB hatte die Mietwagenfirma "nur" die verschuldensunabhängige Haftung ausgeschlossen. Eine Beschränkung ihrer Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit im Fall fahrlässiger Pflichtverletzungen sahen die Mietvertragsbedingungen dagegen gerade nicht vor. Im Zentrum der Entscheidung stand damit die Frage, ob dieser Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung aus § 536a Abs. 1 BGB in AGB möglich ist. Das OLG Frankfurt hat die AGB-Klausel unter Berufung auf die Kardinalpflichtenrechtsprechung des BGH als unangemessene Benachteiligung (§ 307 BGB) und daher als unwirksam eingestuft.

 

Einordnung und Bewertung:

Der Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Haftung in Mietverträgen ist nicht ungewöhnlich und selbst in AGB nach Auffassung des BGH grundsätzlich auch zulässig: Gerade weil die im Mietrecht vorgesehene verschuldensunabhängige Haftung eine für das gesetzliche Haftungssystem untypische Regelung darstellt, kann sie nach ständiger Rechtsprechung auch in AGB abbedungen werden, sofern der Haftungsausschluss hinreichend transparent ist (grundlegend BGH, Urt. v. 27.01.1993, Az. XII ZR 141/91, Rn. 16). Ferner hält der BGH im Rahmen seiner sogenannten Kardinalpflichtenrechtsprechung nicht nur die in § 309 Nr. 7 a) und b) BGB genannten Klauseln für verboten, sondern darüber hinaus auch weitere vertragliche Haftungsausschlüsse in AGB, wenn sie auch für den Fall einer Verletzung wesentlicher Vertragspflichten eingreifen sollen. Solche Klauseln seien unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine (unzulässige) unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Vertragsklausel wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Die Kardinalpflichtenrechtsprechung bezieht sich allerdings nur auf die Fälle verschuldensabhängiger, also mindestens einfach fahrlässiger Haftung. Dass Haftungsbeschränkungen zu einer Gefährdung des Vertragszwecks führen können, lässt sich allenfalls nur damit begründen, dass der Klauselverwender bzw. die Klauselverwenderin in diesem Fall keinen hinreichenden Anreiz mehr verspürt, die vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, da im Fall ihrer Verletzung keine einschneidende Sanktion in Form einer Schadensersatzhaftung mehr droht. Genau dieser Aspekt kann im Fall der verschuldensunabhängigen Haftung aus § 536a Abs. 1 BGB aber von vorneherein gar nicht zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des OLG Frankfurt, dass ein Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 536a BGB in AGB jedenfalls dann unzulässig sei, wenn sogenannte Kardinalpflichten verletzt worden seien, zu denen im Fall eines PKW-Mietvertrages auch dessen Verkehrstüchtigkeit gehöre, zumindest überraschend. 

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